Essay
Völker, hört die Zucchetti-Signale!
Erschienen in: Das Magazin
Dezember 2021


Völker, hört die Zucchetti-Signale!

Warum ich als Städterin Mitglied einer Landwirtschaftsgenossenschaft geworden bin und mein Gemüse nun selbst anbaue. 

Die kleine Filiale eines Grossverteilers in meiner Nähe hat immer die gleiche Auswahl: Rüebli und Peperoni, Tomaten und Gurken, Zucchetti und diese faden Zuchtchampignons, ergänzt um «saisonale» Produkte wie Erdbeeren, lange bevor sie im Frühsommer eigentlich reif sind. Dennoch hatte ich das Gefühl, mehrheitlich saisonal und regional einzukaufen, und machte mir nicht immer die Mühe zu prüfen, woher die Frühkartoffeln stammten – ich dachte, solange sie biologisch sind, wird’s schon passen. Nicht die Frage nach der Herkunft des Gemüses, sondern zuerst die Langeweile angesichts des immer gleichen Angebots war es, die mich vom Grossverteiler zum kleinen Bioladen und zum Quartiermarkt führte, bis ich dann schliesslich begann, mein Gemüse selbst mitanzubauen.

Inzwischen bin ich Mitglied einer «Solawi», einer Solidarischen Landwirtschaftsgenossenschaft, und seitdem hat sich stark verändert, was ich esse und wie ich darüber denke. Beispielsweise habe ich gelernt, dass oft auch Bioprodukte grossindustriell angebaut werden – mit verheerenden Auswirkungen für alle Arten, die früher im Kulturland vorkamen, wie etwa den Neuntöter, ein Vogel, zu dessen Lebensraum die Büsche und Hecken gehören, die beseitigt werden, um riesige, einheitliche Flächenbewirtschaften zu können. Seit ich selbst zur Teilzeit Landwirtin geworden bin, sehe ich nicht nur mein Gemüse mit anderen Augen, sondern erkenne insge samt die Umweltbelastung durch unser Konsum und Freizeitverhalten. Das Thema zieht immer weitere Kreise, und ich habe mehr Fragen als Antworten. Solawis sind nicht die Lösung von allem und für alle. Sie erfordern ein Engagement, das sich nicht jede:r leisten kann oder will, und sie agieren nicht nach einem festgelegten Schema. Sie sind ein Experiment und ein Lernprozess, der sich durch gemeinsame Arbeit entwickelt. Letztlich sind sie ein Versuch, etwas anders zu machen, angetrieben von der Unzufriedenheit mit bestehenden Strukturen.

Veränderungen auf dem Teller

Die Solawi führt mir vor Augen, wie sehr all die kleinen Entscheidungen, die wir täglich treffen müssen, damit zusammenhängen, wie unsere Gesellschaft eingerichtet ist. Mit der Frage «Was essen wir heute Abend?» bin ich früher ratlos vor dem Gemüseregal herumgewandert, weil das Angebot zugleich zu klein und zu gross war. Nun liegt die Antwort auf diese Frage im Anbauplan der Solawi, der zu Beginn des Betriebsjahrs festgelegt wird. Ich erhalte jede Woche das aktuell erntereife Gemüse, und das bildet die Grundlage für das, was ich koche. Das Gemüse ist nicht mehr die Beilage zu meinen Gerichten, sondern der Ausgangspunktund Hauptbestandteil. Ich habe einmal den Entscheid zur Mitgliedschaft getroffen und muss nun andere Entscheidungen nicht mehr täglich treffen – dadurch wird Energie für anderes frei.

Natürlich kaufe ich immer wieder Gemüse hinzu, aber wenn der Grossteil wirklich von einem Acker stammt, der nur ein paar Kilometer entfernt liegt, dann ändert sich automatisch, was auf dem Teller landet. Mir wird bewusst, was im Zürcher Klima je nach Saison gut wächst: Früher habe ich vielleicht zweimal im Winter Randen gekauft. Jetzt esse ich sie fast das ganze Jahr über; im Winter die grösseren mit den härteren Schalen, im Frühling und Sommer die zarten Bundranden. Und ich entdecke dabei, wie unterschiedlich dieses Gemüse schmecken kann. Herausgefordert war ich letzten Winter, als die Rotkabisernte sehr reichhaltig war: Ichass Rotkabis zuerst in allen mir bislang bekannten Formen und probierte dann neue Variationen aus, etwa eine Rotkabis-Lasagne mit Nüssen, was abenteuerlich klang, sich dann aber als sehr lecker herausstellte. Und weil zwar der Anbau, nicht aber das Wetter geplant werden kann, gibt es manchmal wenig (diesen Sommer Tomaten) oder ganz viel (im Frühling Kefen), und so erhalten Worte wie «einmachen», «blanchieren», «tiefkühlen», «dörren» einen ganz neuen Klang in meinen Ohren. Gleichzeitig entdecke ich eine neue Vielfalt: Catalogna, Mairüben, Mangold sind keine Fremdworte mehr, sondern sie gehören nun, wie auch mir vormals unbekannte Kräuter wie Drachenkopf oder Ysop, selbstverständlich zum Speiseplan dazu.

Das Solawi-Gemüse wird ohne Plastikverpackungen in eine Tasche gepackt, die jedes Mal Überraschungen birgt: Zuerst wasche ich die Erde ab, die ihren Duft in der Küche verströmt, manchmal entdecke ich ein kleines Tierchen, und immer wieder staune ich über die unterschiedlichen Formen und Farben: über die besondere Krümmung eines Rüeblis, über einen Blumenkohl, der kleiner ist als die Norm, über den frischen Glanz eines prachtvollen Kopfsalats. Durch die Solawi wurde mir zudem klar, dass meine Vorstellung, was zum Gemüse gehört und was nicht, sehr restriktiv war, und ich habe gelernt, wie man es vom Blatt bis zur Wurzel zubereitet: Das Karottenkraut in den Salat, Pesto aus Fenchelkraut, die Blätter der Mairüben und Randen mitdünsten – Food Waste ist auch das ganze «Wegrüsten» der vermeintlich ungeniessbaren, aber eigentlich sehr schmackhaften Teile, von den Blättern über die Schale bis zum Strunk.

Man könnte es als Verzicht bezeichnen, nicht mehr der spontanen Lust beim Einkaufen zu folgen oder öfters Randen oder Rotkabis zu essen – aber nur aus einer sehr eingeschränkten Perspektive. Mir macht es Freude, so zu essen, und ich mag es, wenn wir zu Hause erst diskutieren, ob das nun Kefen oder Erbsen sind, die wir da erhalten haben, und wie wir sie am besten zubereiten. Dass die Freude bei ökologischen Fragen viel öfters im Zentrum stehen sollte, meint auch der Philosoph Timothy Morton in seinem Buch «Ökologisch sein» aus dem Jahr 2019: Wir haben uns bequem in unseren Freuden eingerichtet. Eine ökologische Veränderung mag so zunächst als Verzicht erscheinen – dies aber vor allem deswegen, weil wir noch nicht absehen können, welche neuen Formen des Vergnügens aus anderen Tätigkeiten entstehen können. Um die zu entdecken, reicht es, sich ein bisschen zu bewegen.

Was heisst «solidarisch»?

Die Solawi, bei der ich Mitglied bin, ist eine Genossenschaft. Das heisst, es gibt keinen Landwirtschaftsbetrieb, mit dem wir kooperieren, sondern wir machen alles selbst. Wir sind Personen, die einen Anteilsschein gekauft und einen Ernteanteil für ein Jahr erworben haben. Alle Entscheide werden gemeinsam gefällt, es gibt eine Betriebsgruppe, zu der auch ich gehöre und in der wir alle organisatorischen Belange regeln, und wir haben zwei Gartenfachkräfte angestellt. Das Kapital der Anteilsscheine verwenden wir für Investitionen; das Geld aus den Ernteanteilen sichert den laufenden Betrieb. Wir können so zu Beginn der Saison auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten und auf einer sicheren Basis planen. Daraus resultiert eine ganz andere Denkweise und Verantwortung für den eigenen Konsum: Wir zahlen nicht für Produkte, sondern wir bezahlen den ganzen Betrieb und erhalten die Ernte. 140 Stellenprozente und viel ehrenamtliche Arbeit produzieren so ungefähr vierzig Gemüselieferungen im Jahr, verteilt auf 130 Ernteanteile. Eine Lieferung beinhaltet mindestens fünf Gemüsesorten und reicht bei uns zu Hause für eine Woche, auf den Tag gerechnet kostet uns das knapp vier Franken.

Ich mag an der Solawi, dass es da wenig leeres Gerede darüber gibt, was sich alles ändern müsste, sondern dass einfach gemacht wird – und damit ist sehr viel mehr verbunden als nur das Säen und Ernten. Strukturelle Veränderungen brauchen verschiedene, aufeinander bezogene Ansätze. Sowohl am Samstag auf dem Feld, wenn wir über Kompost und lokale Kreisläufe sprechen, als auch wenn ich am Freitag mit meinem Velo bei der Critical Mass mitfahre, geht es um die Frage, wie Städte anders gestaltet werden können. Beides hängt in diesem Fall auch inhaltlich eng zusammen, wie es Reto Cadotsch, der Gründer des ersten Solawi Projekts der Schweiz Jardins de Cocagne, in Bettina Dyttrichs Buch «Gemeinsam auf dem Acker» formuliert: «Wir sind die Velofahrer der Landwirtschaft» – will heissen: ökologischer, aber (noch immer) nicht ganz ernst genommen. Solawis stehen quer in der Landschaft eines Landes, dessen Agrarpolitik traditionell auf Familienbetriebe ausgerichtet war, sich heute aber eher an Grossbetrieben orientiert.

Das Wort«solidarisch», das leider im letzten Jahr zu einer fürchterlichen Floskel geworden ist, beschreibt bei Solawis eine Realität mit weitreichenden Folgen. «Solidarisch» heisst: Wir zahlen am Anfang des Jahres und nehmen das, was der Acker und die drei kleinen Folientunnels hergeben. In diesem Sommer, als der Regen die Jungpflanzen wegschwemmte, die Karotten verfaulten und die Mangoldblätter vom Hagel beschädigt wurden, erhielten wir weniger als geplant; die Ernteausfälle, die in den Medien immer so abstrakt klingen, waren für uns bis in den Frühherbst hinein spürbar. Ich greife dann auf das Eingemachte zurück oder gehe halt doch wieder ins Lebensmittelgeschäft, wo ich nur staunen kann, dass alles wie gewohnt vorhanden ist. Wenn umgekehrt etwas besonders gut gedeiht, dann gibt es auch mal mehr als geplant.

«Solidarisch» bedeutet sodann, dass wir unseren beiden Gartenfachkräften einen von Ernteerträgen unabhängigen, fairen Lohn bezahlen. Denn bio allein reicht eben nicht, es braucht auch eine Diskussion über Produktionsbedingungen und über die wahren Kosten. Wie sehr die Landwirtschaft von Ausbeutung geprägt ist, zeigt ein Blick auf ein Jobportal, wo immer wieder Erntehelfer:innen gesucht werden. Arbeitsbedingungen: 55 Stunden pro Woche, 3300.- CHF brutto im Monat, körperlich anstrengende Arbeit.

«Solidarisch» heisst auch, dass alle Genossenschafter:innen etwa vier Tage im Jahr auf dem Acker sind. Denn zum Konzept gehört, dass ein Teil des Aufwands mit Zeit und Körpereinsatz geleistet wird. Davon loskaufen kann man sich nicht, umgekehrt jedoch ist es möglich, mehr zu arbeiten und nichts zu zahlen. Man hilft mit in einer fixen Arbeitsgruppe – Kräuter, Jungpflanzenanzucht, Sensen – oder bei Einsätzen auf dem Feld, beim Jäten, beim Ernten, Abpacken oder dem Transport in die Depots. Ich bin dann draussen, ich mache andere Bewegungen, und meine Hände berühren für einmal nicht die Computertastatur, sondern Erde und Pflanzen. Es entstehen aber auch andere Beziehungen: zum Gemüse, zu anderen Menschen im Quartier und auch überhaupt zu den Menschen, die unsere Nahrungsmittel produzieren; ich habe nun zumindest eine vage Ahnung davon, welche Sorgen sie haben. Entscheidend für die Haltung, mit der ich an die Sache herangehe, ist die Tatsache, dass ich bei der Solawi Konsumentin und Produzentin zugleich bin. Es hat etwas enorm Befreiendes, in einem Bereich nicht von den vorgegebenen ökonomischen Strukturen abhängig zusein, sondern selbst mitzugestalten.

Und zuletzt bedeutet «solidarisch» auch, dass wir uns den nichtmenschlichen Lebewesen gegenüber respektvoll verhalten. Die Intensivierung der Landwirtschaft und die damit einhergehende Gleichförmigkeit unserer Landschaft sind zentrale Faktoren für das aktuelle Artensterben, das unter dem Namen Biodiversitätskrise bekannt ist. Auch hier reicht bio nicht aus. Natürlich braucht es einen Rückgang der Pestizide und des Stickstoffeintrags, aber es gehört noch mehr dazu: Wir benutzen auf dem Acker wenig Maschinen, und wenn, dann nur leichte, um den Boden zu schonen. Wir sensen unsere Grünflächen gestaffelt, statt sie maschinell auf einmal zu mähen, und schaffen dadurch Rückzugsorte für Insekten. Und wir arbeiten eng mit einem Verein zur Förderung der Biodiversität zusammen, der einen Teil unseres Pachtlandes so gestaltet, dass auch Vögel und Wildbienen ein Nahrungsangebot erhalten. Hier steckt viel Potenzial für die Schweizer Kulturlandschaft insgesamt drin: An der Stelle monotoner Felder entsteht so eine kleinräumig strukturierte Landschaft mit einer grösseren Artenvielfalt.

Basisdemokratie auf dem Acker

«System change, not climate change!» Der im Zusammenhang der Klimastreiks populär gewordene Slogan fordert, aufzuhören mit Pflästerlipolitik und Symptombekämpfung. Er macht deutlich, dass es tiefgreifende Veränderungen braucht. Das Gleiche gilt für die Art und Weise, wie Landwirtschaft betrieben wird, und zwar nicht nur, weil sie ein massgeblicher Treiber des Klimawandels ist. Bettina Dyttrich zeigt in ihrem Buch über die Solawis in der Schweiz die strukturellen Missstände auf: Landwirtschaft wird in der Schweiz oft so behandelt, als sei sie Industrie. Aber Landwirtschaft drehe sich um Tiere und Pflanzen und damit um Lebewesen, die, an Tagesund Jahreszeiten gebunden, nicht beliebig auf Effizienz getrimmt werden können. Lukrativ ist daher nicht die Landwirtschaftselbst, sondernalles, wasvorher undnachherkommt. Mitdem Saatgut, den Pestiziden und Maschinen auf der einen Seite und mit der Nahrungsverarbeitung, dem Verkauf als Markenprodukte und den Margen in den Geschäften auf der anderen Seite lassen sich die eigentlichen Gewinne erzielen. Wenige grosse Konzerne stehen als Abnehmer vielen Landwirtschaftsbetrieben gegenüber, die in Konkurrenz zueinander geraten, die durch Wachstum und Intensivierung den Preiszerfall für sich auszugleichen versuchen, ihn aber dadurch weiter anheizen.

Die Landwirt: innen sind aktuell, genauso wie die Tiere und Pflanzen, oftmals die Verlierer:innen dieses Systems, auch wenn sie sich irgendwie damit arrangieren. Für einzelne Betriebe istesschwer, sichhiereinen Spielraum zu schaffen, «es sei denn, es gelänge ihnen, sich zu einer schlagkräftigen Organisation zusammenzuschliessen», wie es bei Dyttrich heisst. Und auch mir als einzelner Konsumentin wird es notorisch schwer gemacht, Entscheidungen zu treffen, die ich für richtig halte und deren Tragweite ich überblicken kann. Solawis beruhen auf der Idee, diese Negativspirale zu brechen, indem die Positionen am Anfang und am Ende der Kette – also Produktion und Konsum – einander angenähertundgestärktwerden, die Macht der dazwischen geschalteten Konzerne hingegen ein Stück weit gebrochen wird. Nachfrage, Überproduktion und Wachstum, die heilige Dreieinigkeit des marktwirtschaftlichen Systems, werden durch einen solidarischen Vertrag ersetzt.

Wie überall, wo es um grundsätzliche Veränderungen geht, scheint auch hier der individuelle Beitrag zunächst gering. Wasichfür Gemüseesse, spielt letztlich für die grossen Probleme eine kleine Rolle. Aber Solawis sind keine Aussteiger: innen Projekte. Wir brauchen keine magischen Kraftorte, spirituellen Führer oder esoterischen Konzepte wie vor gut hundert Jahren die Reformbewegungenaufdem Monte Verità, und wir halten uns nicht an eine strenge Diät, auch wenn viele von uns wenig oder keine tierischen Produkte konsumieren. Solawis sind Arbeit an strukturellen Veränderungen. Anstatt die Produktion von Gemüse auszulagern, sei es aufs Land oder ins Ausland, wo die Löhne noch niedriger sind und die Aneignung von Land durch Grosskonzerne kleinbäuerliche Strukturen zerstören, holen wir sie hinein: Mitten in die Stadt und in unsere Leben, die von ganz unterschiedlichen Berufen und politischen Ansichten geprägt sind.

Eine Solawi bedeutet, auch mal eine Sitzung einem Theater oder Fussballabend vorzuziehen, und nicht immer läuft alles ideal. Manchmal suchen wir am Morgen noch jemanden fürden Transportam Nachmittag, und manchmal gibt es Uneinigkeiten über die Ausrichtung. Manchmal sind wir frustriert wegen den Ackerkratzdisteln auf dem Feld, manchmal wegen den Steinen, die uns von aussen in den Weg gelegt werden. Solawis allein können die Landwirtschaft der Schweiz nicht nachhaltig machen, dafür braucht es Reformen staatlicher Strukturen. Wir können die zunehmende Ungleichheit nicht lösen, dafür braucht es unter anderem Steuern, Mindestlöhne und Zeit für unentgeltliches Engagement. Aber wir haben Möglichkeiten, Menschen einzubinden, die wenig Geld zur Verfügung haben. Unsere Produktionsweise könnte aktuell nicht die ganze Schweiz ernähren, aber wir zeigen, dass durch eine Verschiebung weg von Maisanbau und Tierhaltung und hin zu Gemüse auch neue Ressourcen frei werden. Ich sehe Solawis als Experimentierräume: Wir beginnen irgendwo im Kleinen, wir erarbeiten uns das Wissen und die praktischen Fähigkeiten, einen kleinen Teil der Welt neu zu organisieren. Das gilt für jede:n Einzelne:n – ich weiss jetzt zum Beispiel, wie ich ergonomisch eine Radhacke bediene –, und das gilt auch für die kleinen und grossen Netzwerke, die langsam entstehen. Die Formen von Solawis sind vielfältig und ihre Anzahl steigt. Was 1978 mit den Jardins de Cocagne begann, hat sich inzwischen landesweit ausgebreitet, und auch international wächst das Netzwerk. Die Umstellung kann nicht auf einmal und gleich im grossen Stil von oben herab erfolgen, sondern sie wächst wortwörtlich auf dem Feld. Solawis sind nicht die einzige Lösung, aber sie sind ein Bauste in im agrarökologischen Wandel und tragen indirekt auch zur Popularität anderer Gemüseabos oder Direktvermaktungsstrategien bei.

Manchmal will ich laut sein und auf die Strasse gehen, damit die Dringlichkeit der notwendigen Veränderungen mehr Menschen bewusst gemacht und damit Druck aufgebaut wird und die Politik vielleicht auch nur ein kleines bisschen schneller reagiert. Aber zwischen diesen Ereignissen gibt es viele, viele Tage, die weniger spektakulär verlaufen. Meistens sind wir leise und machen einfach das, was es auf dem Acker braucht, wir hacken und jäten und reden über die Breite unserer Pflanzbeete und Lüftungssysteme für ein bodengekühltes Lager – oder mit anderen Worten: An diesen Tagen machen wir Basisdemokratie. 

CLAUDIA KELLER ist Oberassistentin am Deutschen Seminar der Universität Zürich und Mitglied der Forschungsgruppe «Global Change and Biodiversity».

3-4 Mal jährlich aktuelle Veranstaltungen und Publikationen – unabhängig von Social Media-Algorithmen.